Jüdisches Leben in Burglengenfeld

 

Wer war Dr. Edith Zemenszky-Földes?

Im Rahmen eines Geschichtsprojekts der Sophie-Scholl-Mittellschule suchte die Klasse 7M mit ihrem Lehrer Christian Birk nach Spuren jüdischen Lebens in Burglengenfeld.
„Das Beste, was man gegen das Vergessen tun kann, ist sich aktiv mit der Geschichte auseinanderzusetzen.“, sagt Birk zum Anlass des Geschichtsprojekts. Die Verbrechen im Nationalsozialismus würden zwar schon immer Unterricht behandelt, aber die Verantwortung, die wir auch heute noch haben, werde im reinen Buchunterricht nicht deutlich genug. „Unsere Schule ist nach Sophie Scholl benannt, vor dem Eingang hängt das Schild Schule ohne Rassismus. Wir wollen uns nicht nur mit Etiketten schmücken, sondern tatsächlich couragiert handeln und bewusst an jüdischen Leben erinnern.“, erklärt der Pädagoge weiter.


Der Ausgangspunkt der Suche war das Stadtarchiv Burglengenfeld. Dort zeigte sich schnell, dass es kaum Informationen und Belege über jüdisches Leben in Burglengenfeld gibt. Stadtarchivar Dr. Thomas Barth hatte aber bereits Material über Dr. Edith Zemenszky-Földes gesammelt. Über sie war bekannt, dass sie in den Kriegsjahren und auch einige Jahre danach an der Hauptstraße 7 die Fachdrogerie und Fotohandlung Dr. Edith Simon betrieb. Zudem sei es damals ein offenes Geheimnis, dass sie Halbjüdin war. Belegen könne man dies bisher jedoch nicht.
„Das war die Spur, die wir hatten. Danach begann eine spannende Suche.“, sagt Birk dazu. Dazu wurden eine ganze Reihe von Archiven im In- und Ausland angeschrieben, um alle vorhandenen Informationen zusammenzutragen und um die These nach der jüdischen Abstammung zu überprüfen. „Am Anfang war unsere Recherche nur wenig ergiebig. Bis auf Meldebögen aus dem Einwohnermeldeamt und Schriftverkehr vom Bezirksamt Burglengenfeld über eine geplante Geschäftserweiterung, konnten wir kaum etwas finden. Häufig kam auch die Antwort, dass man leider nicht weiterhelfen könne“, erzählt Birk weiter. Aber ein Satz auf dem Spruchkammerbogen aus dem Staatsarchiv Amberg machte neugierig. Dort stand über Zemenszky-Földes: „Ich war keinesfalls in der Partei sondern bin sogar verfolgt worden.“
„Als dann aber das Bundesarchiv antwortete: „Eine Recherche (…) verlief ohne Ergebnisse“, war unsere Hoffnung, dass wir noch etwas finden würden, auf dem Tiefpunkt.“, erklärt Birk. „Aber wir hatten noch ein Ass im Ärmel.“ Dieses Ass war das Arolsen Archiv. Das Archiv in der nordhessischen Stadt Bad Arolsen ist auf die Forschung über die nationalsozialistische Verfolgung und den Holocaust spezialisiert. Die Antwort des Archivs hatte es in sich. Knapp 100 Seiten an Dokumenten über das Leben von Zemenszky-Földes und ihrer Familie bekam der Lehrer zugeschickt. „Damit konnten wir arbeiten und das Leben von Frau Zemenszky-Földes weitegehend rekonstruieren.“, erklärt Birk. Über ihr Leben berichtet er folgendes.:
Edith Simon wurde am 29.4.1914 in der niederösterreichischen Stadt Neunkirchen geboren. Ihre Eltern waren der Fabrikbeamte Franz Simon und Nina Simon, eine ungarische Beamtentochter mit dem Mädchennamen Feinsilber. Die Überprüfung der Kovertitenliste in Wien bestätigte die Vermutung. Die Mutter war tatsächlich Jüdin, was ihrer Tochter Edith fortan das Leben erschwerte. Edith besuchte die örtlichen Schulen in Neunkirchen und begann später ein Universitätsstudium der Fächer Geschichte und Geografie in Wien. Am 20.12.1939, kurz nach Beginn des zweiten Weltkrieges, wurde sie zum Dr. phil promoviert.
In den Kriegsjahren begann eine recht unstete Zeit für sie, die von ständigen Ortswechseln geprägt war. Über die Gründe könne nur spekuliert werden. „Vielleicht fürchtete sie, dass ihre jüdische Abstammung entdeckt wird. Vielleicht flüchtete sie auch von ihrer eigenen Vergangenheit, denn am Ende ihrer Studienzeit wird ihr Sohn Johann geboren, der die meiste Zeit seines Lebens nicht bei seiner Mutter lebt.“, sagt Birk darüber. Sicher sei aber, dass sie im Januar 1941 nach Oettingen kommt und dort im Familienstandsbogen bereits die Berufsbezeichnung Drogistin auftaucht. Von 1942 bis 1945 steigere sich noch einmal die Frequenz der Ortswechsel. Edith wechselte öfter zwischen den Orten Oettingen, München, Nördlingen und Burglengenfeld hin und her. Der Hauptwohnsitz sei aber zu dieser Zeit wohl Burglengenfeld gewesen.
„Ein weiteres Geheimnis wird wohl auch bleiben, warum sie plötzlich am 29.5.1945 den Ungarn Dr. Karl Zemenszky-Földes heiratete.“, erzählt Birk weiter. Beide hätten sich wohl am Kriegsende in Oettingen kennen gelernt. Herr Zemenszky-Földes wurde als Kriegsverwundeter im dortigen Krankenhaus behandelt. Höchstens drei Monate nach dem Kennenlernen hätten sie geheiratet und etwa ein Jahr später kam dann die gemeinsame Tochter Elisabeth zur Welt.
Nach dem Krieg blieb die Familiensituation weiter diffus. Während der Ehemann nach kurzer Kriegsgefangenschaft als Rechtsberater für das Central Hungarian Office in München, später dann auch in Amberg, arbeitete, betrieb die Ehefrau weiter die Fachdrogerie und Fotohandlung Dr. Edith Simon , die sie wohl Anfang 1943 in Burglengenfeld eröffnete. Sicher sei aber, dass die Familie nach dem Krieg die Ausreise aus Deutschland forcierte und sich dazu an die International Refugee Organization (IRO) wendete, die das Anliegen aber zunächst ablehnte.
„Karl insistierte weiter auf die Hilfe der IRO und schrieb dazu im März 1948 einen längeren Brief an die Organisation. Er argumentierte, dass seine Frau zu den politisch verfolgten Personen gehörte und deshalb die Hilfe der IRO verdiene.“, erklärt Birk weiter. Drei Jahre später sei die Familie schließlich erfolgreich gewesen. Sie emigrierten in die USA. Auf einem Dokument der IRO vom 6.6.1951 tauchten die Familienamen auf. Sie fuhren mit dem Schiff von Bremerhaven nach New York City. Dort verliere sich dann die Spur.
„Unser Plan ist es nun, unsere Forschungsergebnisse in einer Ausstellung im Februar 2022 zu präsentieren. Dazu haben wir uns mit dem Bezirksheimatpfleger Florian Schwemin bereits kompetente Unterstützung geholt.“, sagt Birk. Zudem würde man sich über die Mithilfe der Burglengenfelder freuen. Wer weiterer Informationen über das Geschäft Fachdrogerie und Fotohandlung Dr. Edith Simon bzw. die Familie Zemenszky-Földes hätte, also beispielsweise Fotos, Zeitungsartikel, aber auch Geschichten, könne sich gerne an die Sophie-Scholl-Mittelschule Burglengenfeld wenden.